Mittwoch, 28. September 2011

Der Schmerz als der Treffpunkt

Liebe Tango-TänzerInnen,

nach Carvalho ist der Ursprung des portugiesische Fado das Meer:

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The Fado is of maritime origin, an origin which is confirmed by its rhythm, undulating as the cadenced movements of the wave, regular as the heaving of a ship, or as the beating of waves upon the shore.
"
(Pinto de Carvalho, 1904*)

Fado ist mit dem Meer verbunden, aber nicht nur durch Rythmus, der den Bewegungen des Meeres ähnelt, Fado ist auch ein Trauerlied, das von den Seemanns-Frauen gesungen wurde, deren Männer nicht vom Meer zurükkommen.


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Mein einziger Trost war, daß er an Land gestorben ist, denn wäre er auf dem Meer umgekommen, so hätte meine Trauer kein Ende gehabt bis zum heutigen Tag. Kein Mond durchbohrt mit seinen Strahlen das Wasser und zeigt uns, wie ein Mensch auf dem Grund des Meeres ruht. Der Sand dort soll weich und fein wie Goldstaub sein, und die Bäume größer als unsere ältesten Pinien hier. Anstatt der Vögel hüpfen Fische von Ast zu Ast, nur stumm sind sie und können nicht singen.
...
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(Ilse Pollack, 'Dieia, die Fischerfrau'**)

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Trauer ist allerdings nur eine der vielen schmerzlichen Empfindungen, die zur Musikgattung des Fado gehören, der wie Tango eine städtische Volksmusik ("urban folk music") ist und dessen Ursprüngen im frühen achtzehnten Jahrhundert liegen. Das Wort, 'Fado,' kommt vom lateinischen fatum [Schicksal] und alle Spielarten des Schicksals greift diese Musik auf:

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Both words and music reflect
the abrupt turns of fickle fortune,
the evil destiny of the unfortunate,
the irony of fate,
the piercing pangs of love,
the poignancy of absence or despair,
the profound sobs of discouragement,
the sorrows of Saudade,
the caprices of the heart,
and those ineffable moments
when the souls of lovers descend to their lips and,
before flying back on high,
hover for an instant in a sweet embrace.
"
(Pinto de Carvallo, 1904)

Der Fado lebt durch den Gesang. Wie Paul Vernon sagt, "the ability of the singer to communicate a range of emotions through the lyrics lies at the very heart of the genre," und "Saudade" (die portugiesische Art des Weltschmerzes) ist das Herz der Musik.

Aubrey Bell* beschreibt 1915 Saudade als "a vague and constant desire for something that does not and probably cannot exist [...]" und Rodney Gallop* ergänzt 1931 diese Erklärung mit den folgenden Worten:
"[S]uadade is yearning; yearning for something so indefine as to be indefinable; an unrestrained indulgence in yearning."

Trotz des Ozeans zwischen Argentinien und Portugal, und trotz aller Verschiedenheiten in der Musik erscheint (wenn nicht was anderes, dann mindestens) der Schmerz als der Treffpunkt von Fado und Tango...


Es gibt einige Fados, wie die Drei, die wir nach unserer ersten ValsTanda hören, zu denen wir Tango tanzen können... Und das werden wir diesen Freitag machen...

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Wenn man an Fado denkt, denkt man natürlich an die bedeutendste Sängerin dieser Art, an Amália Rodrigues (1920-1999), "Rainha do Fado" (Königin des Fado).

Und als das erste Lied unser FadoTanda hören wir Conta Errada von ihren unvergesslichen Stimme.

Nachdem Rodrigues 1999 in Lissabon gestorben ist, hat ihre Nachfolgerin während der zwei Galas zu Ehren von Amália Rodrigues erscheint: Mariza (1973)

Die nächste zwei Lieder unser FadoTanda kommen deswegen von Mariza: Loucura und Há Palavras Que Nos Beijam.

Bis Freitag,

Burak

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Zu mir kam der Mann nur einmal an die Tür, denn unser Haus hat nach vorn kein Fenster. Wir sprachen belanglose Dinge, aber ich merkte gleich, daß er mich nicht gern hatte. Die Liebe beginnt bei den Augen, über die Augen schleicht sie ins Herz, da bedarf es keiner Worte. Ich spürte, daß ich ihm gleichgültig war und daß er nicht wiederkommen würde.
So war es dann auch. Ich war nicht traurig, aber, wie soll ich es sagen, es flößte mir einen Widerwillen ein. Ich wollte keinen anderen mehr. Wenn der eine so ist, dass werden wohl alle so sein, dachte ich mir. Verrückt waren sie, die jungen Burschen, verrückt. Ich erfuhr nie mehr wieder etwas von ihm, die Leute erzählten später, er habe geheiratet, ein Mädchen aus reichem Haus.
...
"
(Ilse Pollack, 'Maria José**)

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* Vom Paul Vernons Buch. 'A History of the Portuguese Fado'
** Vom Ilse Pollacks Buch, 'FADO / Lebensbilder aus Portugal'

Mittwoch, 14. September 2011

Die Romanze und die Sprache

Liebe Tango-TänzerInnen,

wenn der Moment kommt, macht es eigentlich keinen Unterschied, ob man "Seni seviyorum" sagt, oder "Ich liebe dich;" denn was zählt ist das Herz, das in den Worten liegt, nicht die Worte selbst. Letztendlich fängt die Poesie der Liebe da an, wo die Worte nicht mehr Worte sind, sondern pure Gefühle, die auch (und sogar besser) von den Blicken, Berührungen übersetzt, vermittelt werden...

Wenn es ums TangoTanzen geht, gilt dasselbe. Nur fungiert hier die Musik als Übersetzer, als schönster Vermittler aller Gefühle. Wir wissen immer, worum es in einem Lied geht, auch wenn wir nicht wissen, was dessen Worte sagen. Und wir brauchen die Noten nicht zu kennen, um das darin versteckte Gefühl zu erkennen. Die Melodie führt uns in eine andere Welt, eine Welt der Erhabenheit, wo wir vielleicht auch mal waren oder bereits sind oder wohin wir gehen... Das Leben, wie wir es empfinden...

Ich lade Euch aber diese Woche ein, auf Deutsch romantisch zu sein, auf der Sprache, die wir alle verstehen.. Nach vielen musikalischen Reisen durch die Musikwelt der Weltmusik, die wir zusammen gemacht haben, besuchen wir an diesem Freitag das Land, in dem wir leben, auf musikalischem Wege.

Dafür habe ich diese Woche zwei Lieder auf der Liste:


Queen Bee
1) Bei unserer ersten ValsTanda hören wir als das letztes Stück "Romantik" von Queen Bee, ein Musikduo, bestehend aus Ina Müller und Edda Schnittgard. Das Lied ist einfach eine Einladung zur Romanze:




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...

Lass uns bitte,
bitte beide romantisch sein
komm, volle Kanne Kerzenschein
ein Abend voller Poesie,
volle Kanne Hölderlin
und die Diskussion,
ob nun Berlin oder
ob nun Hamburg wirklich
was zu bieten hat
und Recht bekommt dann der,
der länger küssen kann
...
"

17 Hippies
2) Das zweite Stück kommt von einer bunten zwölfköpfigen Musiktruppe aus Berlin, 17 Hippies; das Lied heißt "Adieu" und es ist eine Milonga. Dieses Lied, das wir als das letzte Stück der zweiten MilongaTanda hören, erzählt uns etwas, das wir alle ganz genau wissen, nämlich dass man nicht so leicht "Adieu" sagen kann:

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Ich bin gekommen, um Adieu zu sagen,
die andern sind schon vor und warten,
doch dein Duft bleibt in der Luft zurück.

Ich nehm’ mit, was keiner sagen kann,
da keiner so nah dran wie ich dich spür’,
als wärst du hier.
...

Ich bin gekommen, um Adieu zu sagen,
die andern sind schon vor und warten.
Nun bleib’ ich von dir verführt zurück.

Nimm’ mich mit, ich lass das alles hier,
du gehst vor, ich folge dir.
Wir sind zurück, wenn’s dunkel wird.
...
"



Ich wünsche Euch viele Liebesmomente, die nie reichen.. Wie Cemal Süreya in seinem Gedicht 'Aşk' (Die Liebe), so süß sagt:

"
...
Seni bir kere öpsem ikinin hatrı kalıyordu
İki kere öpeyim desem üçün boynu bükük
...
"

["...
Als ich dich einmal küsste, wurde die Zwei verletzt
Als ich tat dich zweimal küssen, [wurde] die Drei mutlos
..."]
(Übersetzung: Burak Kara)


Bis Freitag,

Burak

Mittwoch, 7. September 2011

Ein neuer Blick auf die alten Tangos

Liebe Tango-TänzerInnen,

wenn man an Ástor Piazzolla (1921-1992) denkt, denkt man natürlich an seinen 'neuen' Tango. Und das ist auch richtig so.. Das ist was Piazzolla ausmacht, obwohl er bestimmt allein als ein Bandoneon-Virtuose schon einen besonderen Platz in der Tangogeschichte einnehmen könnte.

Mit seinem neuen Tango hat er aber letztendlich nicht nur der Tangomusik einen neuen Horizont geöffnet, sondern er hat darüber hinaus dem traditionellen Tango auch neues Leben eingehaucht.

Was man aber oft vergisst ist, dass Piazzolla auch durch die Tradition dahin gekommen ist, wo er sich später wiederfand.

Nachdem seine Famile 1938 aus New York nach Buenos Aires zurückkehrte, hatte er bereits in vielen Orchestern gepielt und wurde bald der Star in Troilo's Orchester.

Schon in den frühen 50er Jahren hat er aber nach und nach seinen eigenen Stil, seinen neuen Tango entwickelt und sich auch selbst immer weiter erneuert..

Ende der 60er Jahre warf er allerdings einen netten neuen Blick zurück auf die alten Traditionen und interpretierte viele klassische Tangos neu. Diese Aufnahmen wurden in zwei Volumen, "La Guardia Vieja" und "Epoca Romántica," auf dem Album "Historia del Tango" 1967 veröffentlicht.

Diese Aufnahmen sind einfach besonders und deswegen hören wir am Freitag drei Beispiele davon nach unserem ersten ValsTanda als die Besonderheit dieser Woche:

1) A Media Luz (E.Donato), 1924
2) Sentimiento Gaucho (R.Canaro & F.Canaro), 1924
3) Los Mareados (J.C.Cobián), 1942

Viel Spaß damit!

Bis Freitag,

Burak