Mittwoch, 27. Juli 2011

Eine Tangoreise nach Madrid?

Liebe Tango-TänzerInnen,

wollt Ihr eine Tangoreise nach Madrid machen?

Keine Sorge, dafür müsst Ihr weder Flugkarten buchen, noch Hotelreservierungen vornehmen.. Denn ich kümmere mich darum, dass Madrid nach Hamburg kommt! Aber wie?

Erstens kommt Madrid natürlich in Form der Tangomusik. Malevaje ist eine Tangogruppe aus Madrid, die seit den 80er mehr als zehn Alben aufgenommen hat.

Die Hauptfigur der Gruppe ist der Sänger und Lyriker Antonio Bartrina und die aktuelle (2009) Besetzung der Gruppe gestaltet sich folgendermaßen:

Antonio Bartrina (Sänger)
Ariel Hernández (Bandoneon)
Fernando Gilabert (Kontrabass)
Sacri Delfino (Gitarre)

Malevaje

Wir hören am Freitag zwischendurch Tangos, Walzer und Milongas von Malevaje, jeweils in einer Tanda mit ausgewählten Liedern aus ihren unterschiedlichen Alben.

Zweitens kommt Madrid durch den Klang der Stadt ins el abrazo.

Als ich im letzten Oktober in Madrid war, habe ich den Klang der Stadt nämlich für ca. 20 min. aufgenommen.

Deshalb machen diese Woche die schon gewohnten Glocken eine kleine Pause und ich spiele kurze (10-15 sekündige) Ausschnitte aus dieser Aufnahme als Cortina: Straßenverkäufer, Schulkinder, Autos und Stille; also alles, was die Stadt zu bieten hat.. ;)

Bebe
Und an so einem Abend kommt natürlich auch unser Non-Tango von einer Spanierin, nämlich der spanischen Schauspielerin-Sängerin Bebe (María Nieves Rebolledo Vila), die 1996 nach Madrid umgezogen ist, um dort Schauspiel zu studieren.

Ich werde ihr in Tangokreisen beliebtes Lied "Siempre me quedara" auflegen - was für meisten von Euch keine Überraschung sein dürfte.

Madrid (B.Kara)
Im Übrigen: Wer sich vorher schon mal geistig für diese Atmosphäre vorbereiten will, kann sich hier ein paar Fotos ansehen, die ich während meines Besuchs in Madrid gemacht habe: Meine Madrid-Fotos

Eine spanische Tangonacht im Norden! :-)

Bis Freitag,

Burak

Mittwoch, 20. Juli 2011

El Choclo - Dieses Lied hat eine Geschichte..

Liebe Tango-TänzerInnen,

diesen Freitag widmen wir dem 'el choclo' eine Tanda und wir machen eine historisch vergleichende Tangoübung. Ich spiele drei unterschiedliche Aufnahmen hintereinander:

1) von Victor Orchestra

2) von Juan D'Arienzo
und
3) von Quartango


Denn dieses Lied hat eine Geschichte
und
das ist die Tangogeschichte! ;)


"El choclo" ist (nach der "la cumparsita") wahrscheinlich die berühmteste Tango Melodie der Welt. Das Lied gilt als einer der ältesten Tangos und sein Komponist, Ángel Villoldo (1861 - 1919) wird oft der "Padre del tango" (der Vater des Tangos) genannt.

Ob man ihn als den "Vater" anerkennt oder nicht, ist eine unwichtige Frage..

Seine  berühmteste Komposition, el choclo, ist aber nicht nur ein beliebtes Lied, sondern auf jeden Fall auch ein historisches Ereignis, an dem man die Tangogeschichte studieren kann.

Dieser Eintrag ist einfach ein bescheidener Versuch dahingehend.


Einführung:

Es ist nicht bekannt, wann genau Villoldo el choclo komponiert hat, aber es soll wahrscheinlich kurz vor der Uraufführung des Orchesters von Jose Luis Roncallo, am 3. November 1903, in dem eleganten Restaurant "El Americano" auf der Cangallo Straße (heute Teniente General Perón) gewesen sein.

Es war gewiss kein Versehen, dass das Lied an dem Abend nicht als "Tango" sondern als ein "danza criolla" vorgestellt wurde. Letztendlich wurde damals auf den "Tango" von Besitzern eines so eleganten Restaurants und von den damaligen Eliten der argentinischen Gesellschaft herabgeblickt.

Tango war/ist ja im Grunde keine argentinische Musik: Tango war ein Produkt einer unfassbaren Zusammenstellung der unterschiedlichsten Menschen und Kulturen, die in einer Stadt angetroffen werden konnten, die von Jo Baim sehr treffend als "a truer melting pot than the United States ever was" beschrieben wurde; dieses Gemisch an armen Menschen und deren Tango ist aber von der hohen Schichten des Landes verachtet worden. Wahrscheinlich deswegen schreibt Marta Savigliano, "[t]he history of tango is a history of exiles." Tango war der Schrei der Ausgeschlossenen, der Verachteten..

In diesem Zusammenhang muss man es sich also vorstellen, was für eine Überraschung es war, als sich die argentinische Eliten in Europa beim Tango als einem Modetanz begegnet sind. Dieter Reichardt zitiert ein Gespräch des Argentiniens Botschafters in Paris, Enrique Larretta, in einer Londoner Zeitung 1914, um dieses Erlebnis zu veranschaulichen. Larretta sagte:

"Niemals tanzt man ihn [den Tango] in anständigen Salons oder unter feinen Leuten. Für argentinische Ohren erweckt die Musik des Tangos wirklich unangenehme Vorstellungen. Ich sehe keinen Unterschied zwischen dem Tango, den man in den eleganten Tanzschulen von Paris tanzt und dem der niedrigen nächtlichen Vergnügungszentren von Buenos Aires."


(1. Kapitel)

Deswegen hatten sie 'el choclo' an der Uraufführung, statt als einen "Tango," als "danza criolla" vorgestellt; aber das war vielleicht (wenigstens retrospektiv gesehen) technisch auch nicht ganz so falsch. Damals war der Tango ja noch in seiner frühesten Phase, er hatte den 2/4 Takt mit dem rhythmischen Muster, das uns heute als Milonga bekannt ist.

-1- Die erste Aufnahme, die wir am Freitag hören, ist aus dem Jahr 1912, gespielt von Victor Orchestra (bekannt auch als Victor Dance Orchestra, nach 1927 Victor Symphony Orchestra) und es ist auch eine Milonga.



Das Lied war sehr schnell so berühmt.. Es ist eine lustige Geschichte, die Néstor Pistón uns erzählt: Während des Ersten Weltkrieges besuchte der argentinische Journalist Tito Livio Foppa eine offiziellen Party an der deutschen Front. Der Klavierspieler will die Nationalhymne spielen, um ihn zu ehren, aber was er eigentlich spielte, war "El choclo" :D


(2. Kapitel)

El choclo war vielleicht nie die Nationalhymne von Argentinien, aber das Lied war schon einer der wichtigsten internationalen Vertreter des Tangos.

Inzwischen, ungefähr Ende der 20er und Anfang der 30er, hatte der Tango auch seine klassiche Form mit 4/4 Takt gefunden und während der Goldenen Zeiten des Tangos wurde el choclo von fast allen Orchester interpretiert.

Das Lied hat auch im Ausland einige andere Lieder inspririert, wie das berühmteste Beispiel "Kiss of Fire" von Louis Armstrong.

Das Lied bekommt auch einen neuen Text, geschrieben 1947 von Enrique Santos Discépolo und Juan C. Marambio, der dieser berühmten Melodie den Respekt zeigt, den sie seit Langem völlig verdient hat:

"
Con este tango que es burlón y compadrito se ató dos alas la ambición de mi suburbio;
con este tango nació el tango, y como un grito salió del sórdido barrial buscando el cielo
...
Al evocarte, tango querido, siento que tiemblan las baldosas de un bailongo y oigo el rezongo de mi pasado
...
"


[Mit diesem Tango, der spöttisch und geckenhaft ist, hat sich die Ambition meiner Vorstadt zwei Flügel festgebunden;
mit diesem Tango wurde der Tango geboren, und wie ein Schrei verließ er das schmutzige Viertel, den Himmel suchend
...
Wenn ich Dich anrufe, geliebter Tango, fühle ich, daß der Boden von einem Tanzsalon erzittert, und ich höre das Grollen meiner Vergangenheit
...]
(Übersetzung: Andrés Fragoso & Frank Schladitz)


-2- Die zweite Aufnahme des Abends kommt von Juan D'Arrienzo, 1954, und wir hören das Lied dieses Mal ganz klar als Tango.


(3. Kapitel)


Das waren die Zeiten, die 40er und 50er.. Es kommen neue Moden (z.B. Rock'n'Roll), politische Änderungen, usw.


So endet eine Ära, bis der Tango Jahrzehnten später von einer neuen Generation neu endeckt wurde..


Da spielt Piazzolla gewiss mit seinem "Tango Nuevo" eine besondere Rolle, mit dessen Schwung auch die alte Tradition nochmals aufgetaucht ist; aber dieses Mal, anscheinend, um zu bleiben, und zwar für immer.. :-)


Auf jeden Fall ist im Grunde das, was Tango so lange am Leben erhalten hat und ihn heute so beliebt macht, dass der Tango einer der sehr wenigen Dinge im Leben ist, die uns in einer kalten Welt ein Stück von der menschliche Wärme bringen können..


Der Tango, der alte Baum, unter dessen Schatten wir tanzen, blüht heute nochmals auf. Und auch der neue Tango findet seinen Sinn immer noch in den alten Baumstammen, die in einer Tiefe vom mehr als hundert Jahren liegen.


-3- Der dritte Aufnahme des Abends kommt von einem heutigen Orchester, Quartango. Der Rhythmus wechselt zwischen Milonga und Tango in einem zeitgenössischen Geist hin und her..


Nachtisch:

Während wir unsere Schuhe wechseln, lege ich als Nachtisch am Ende des Abends eine originelle 'el choclo' Aufnahme von Villoldo, aus dem Jahr 1912 und eine besondere, neuere Aufnahme des Liedes von Maria Graña auf.



So endet
unsere
Geschichte

oder
so fängt
sie an,

wie
Ihr wollt.. ;)




Bis Freitag,

Burak

Mittwoch, 13. Juli 2011

Tango um die Harfe

Liebe Tango-TänzerInnen,

es war vor fast fünfzehn Jahren, ich bin nach Hause gekommen.

Der Fernseher war an und eine junge Frau spielte Harfe..

Verkörperte Eleganz war, was meine Augen sehen und was meine Ohren hörten, war die Tokkata von G. F. Händel, gespielt von Händen, die über die Harfe so leicht wie Federn in der Luft liefen..

Liebe auf ersten Blick? :-)

Ich weiß nicht mehr, worüber sie während der Sendung geredet haben, aber ich hatte mir sofort den Namen der Harfenistin gelernt: Şirin Pancaroğlu

Şirin Pancaroğlu (Fotograf: Claudio Vazquez - 1996)


Na ja.. Mit meiner Liebe zu Şirin konnte ich nicht viel bewirken, aber mit meiner Liebe zur Musik bin ich sofort zum Stadtzentrum gelaufen, um ihre CD zu suchen. Am nächsten Tag hatte ich ihr erstes Album, Hasret Bağı / A String of Longing, in den Händen.

Nach ein paar Jahren habe ich zufällig im Radio gehört, dass sie (dieses Mal mit dem Violinist Ignace Jang) ein neues Album aufgenommen hat. Selbstverständlich hatte ich auch diese neue CD, Kuyruklu Yıldız Altında / Under the Shooting Star, wenige Zeit später in meiner Sammlung.

Obwohl ich in einem der vielen blöden Momente in meinem Leben beide Alben (zusammen mit anderen CDs meiner Sammlung) einer Ex-Freundin geschenkt habe, konnte ich immerhin so weit vorausdenken. für mich eine MP3 Kopie der Alben zu machen..

Zumindest kann ich so an diesem Freitag zwei schöne Lieder von diesen Alben für Euch spielen, zu denen man sehr schön tanzen kann:

Cancion al Arbol del Orvido
(vom argentinischen Komponisten Alberto Ginastera / Solo Harfe)
und
- Seresta
(vom brazilianischen Komponisten Carlos de Almeida / Harfe und Geige)

Ich wünsche Euch eine genußvolle Tanzerfahrrung mit dieser schönen Musik! :-)

Und, ich will diesen Eintrag mit einem kurzen Gedicht beenden:


Die Harmonie der Welt

[...]
Und du zweifeltest, Freund, am hohen inneren Weltsinn?
Hörst du die Harfe nicht? Willst du auch sehen den Ton?

Johann Gottfried Herder


Bis Freitag,

Burak

Mittwoch, 6. Juli 2011

Die walzende Tuba

Liebe Tango-TänzerInnen,

Tubatango ist ein besonderes Orchesterkonzept, eine bescheidene Tradition am Rande der Tangogeschichte.

Einer aus der ersten Generation dieses musikalischen Konzepts ("Tubatango") ist der Badoneonspieler Guillermo Inchausty, der Los Tubatango 1967 gegründet hat, um den festlichen Geist der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts einzufangen. Los Tubatango fällt schon dadurch auf, dass der Kontrabass durch eine Tuba ersetzt wurde, wie auch der Name besagt. Erst Angel Diaz und dann Antonio Rodríguez waren diejenigen, die dem Orchester mit ihrer Tuba seinen speziellen Klang gegeben haben.


Die Gruppe hat die alten Tangos auf die alte Art und Weise gespielt. Vermutlich deswegen waren die anderen zwei Elemente dieses besonderen Quartetts eine Flöte (Francisco Militich) und eine Gitarre (Abel Terrilli), also die uralten Freundinnen der Tangomusik. Das erste Album (aus dem Jahre 1968) hieß ja auch "Tangos del tiempo perdido" [Tangos der verlorenen Zeit]. Das alte Quartett war unter der musikalischen Leitung von Guillermo Inchausty bis 1982 aktiv.

Die neue Gruppierung der zum Mythos gewordenen, legendären Los Tubatango, La Tubatango, ist 2005 von dem Arrangeur und Gitarist Lucas Kohan gegründet worden. In diesem neuen Quartett spielt Hugo Satorre das Bandoneon und Jose Plaza ist an der Tuba. Die bemerkenswerte Änderung in dieser neuen Generation ist die Ersetzung der Flöte mit der Klarinette (Leo Heras), die (meiner Meinung nach) eine tolle neue Farbe in die Tangomusik bringt. Sie haben ihr erstes Album "Bien Canyengue" 2006 aufgenommen und sofern ich weiß, ist La Tubatango heute das einzige Tangoorchester der Welt, in dem eine Tuba mitspielt.


In jeder Generation des Tubatango,

bringt die Gitarre die sommerliche Fröhlichkeit,
ist die Tuba das schlagende Herz,
gibt das Bandoneon den Schwung,
und sorgt sich die Flöte/Klarinette um die Sanftheit..


Wir hören diese Woche zunächst vier Tango-Walzer von beiden Tubatangos, zwei aus der alten Generation (mit Flöte) und zwei aus der neuen (mit Klarinette).

Viel Spaß damit! ;)

Burak